McCains großes Wagnis VON DIETMAR OSTERMANN

Geniestreich oder Desaster: Schon als John McCain in der vergangenen Woche seine Vize-Kandidatin Sarah Palin präsentierte, gingen die Meinungen unter Amerikas Kommentatoren auseinander. Zu jung, zu unerfahren, lautete das Urteil der einen; erfrischend anders, jubelten andere. Dabei wusste kaum jemand wirklich etwas über die Frau, die seit zwei Jahren den fernen Nordstaat Alaska regiert.

Inzwischen werden die Leerstellen gefüllt, präsentieren die an den Polarkreis entsandten Reporter immer neue Mosaiksteine aus dem Leben der politischen Senkrechtstarterin und fünffachen Mutter. Dass deren 17-jährige Tochter schwanger ist, war im Heimatdorf Wasilla ein offenes Geheimnis. Die Menschen dort hat es nicht gestört. Auch viele US-Bürger dürften die Nachricht achselzuckend zur Kenntnis nehmen.

Ein Baby mit Down-Syndrom, ein Sohn auf dem Weg in den Irak, eine schwangere Teenager-Tochter, obwohl sich die Mutter für sexuelle Abstinenz Heranwachsender einsetzt - mancher mag da die eigenen Alltagsprobleme wiederfinden. So ist eben das Leben, widersprüchlich, kompliziert. Aus Sicht konservativer Christen hat Sarah Palin nichts falsch gemacht.

Wenn Amerikas Medien jetzt diskutieren, ob sie als Vizepräsidentin schon deshalb ungeeignet sei, weil ihre Familie sie als Mutter braucht, dürfte auch manch liberale Wählerin fragen, warum das immer nur bei Frauen ein Thema ist. John McCain hat mit seiner unkonventionellen Vize viel gewagt, vielleicht zu viel. Letztlich geht es vor allem darum, ob Mrs Nobody aus Alaska die politische Reife für das zweithöchste - und im Ernstfall höchste - Amt im Staate besitzt.

Frankfurter Rundschau

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