Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki hat den Preis für sein Lebenswerk abgelehnt und vor laufender Kamera Kritik am deutschen Fernsehen geübt



Bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises ist es zu einem Eklat gekommen: Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat den Ehrenpreis der Stifter zurückgewiesen. „Ich nehme diesen Preis nicht an“, erklärte der 88-Jährige am Samstagabend überraschend vor den geladenen Gästen in Köln.
Vielleicht hätte er dies früher sagen müssen, gestand er ein, aber: „Ich habe nicht gewusst, was mich hier erwartet.“ Er fügte hinzu: „Ich finde es auch schlimm, dass ich das erleben musste.“
Moderator Thomas Gottschalk hatte Reich-Ranicki bei der Aufzeichnung der Preisverleihung in seiner Laudatio zuvor als einen faszinierenden Menschen gewürdigt, der Großes für das Fernsehen geleistet und Großes gesagt habe. Der 88-Jährige wollte die Auszeichnung für sein Wirken jedoch nicht annehmen. Er habe viele schöne Fernsehabende, zum Beispiel bei „Arte“, verbracht: „Aber nicht diesen Blödsinn.“ Auch früher hätte er diesen Preis abgelehnt und - wenn damit Geld verbunden gewesen wäre - den Betrag nicht angenommen.
Gottschalk bemühte sich, die Situation zu retten. Er bot sich an, die Trophäe an Reich-Ranickis Stelle zu übernehmen, „damit wir nicht mit leeren Händen nach Hause gehen“. „Ich akzeptiere das. Mal sehen, was daraus wird“, sagte Reich-Ranicki. Schließlich nahm TV-Produzentin Katharina Trebitsch, die Reich-Ranickis Biografie derzeit für die ARD verfilmt, den Preis in die Hand. Die Preisverleihung wird erst am Sonntagabend im ZDF als Aufzeichnung übertragen. (Siehe auch: Gespräch mit Reich-Ranicki über die Verfilmung seines Lebens)
Gottschalk sagte nach der Sendung, er habe noch während der Gala im Kölner Coloneum die Idee gehabt, die Ehrung für Reich-Ranicki entgegen dem Ablaufplan vorzuziehen, weil er gemerkt habe, dass der Literaturkritiker unruhig wurde. Als Gegenleistung dafür, dass Reich-Ranicki den Preis dann doch annehmen sollte, bot ihm Gottschalk an, eine „gemeinsame Sendung mit ihm und einigen TV-Verantwortlichen zu machen“. Das ZDF ging am Sonntag auf diesen Vorschlag ein. Man werde Reich-Ranicki dazu einladen, hieß es vom öffentlichen-rechtlichen Sender. Das Konzept solle nach einer Zusage des Literaturkritikers erarbeitet werden.
ZDF-Intendant Markus Schächter nannte den Auftritt Reich-Ranickis in der Nacht zu Sonntag eine „Sternstunde“ des Fernsehens, der ehemalige RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma bezeichnete das Geschehen als „pure Comedy“.

Deutscher Fernsehpreis: Der Blödsinn, den wir sehen

Die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises läuft am Sonntag Abend in ZDF. Die Übertragung der Aufzeichnung beginnt um 20.15 Uhr. Der Sender verspricht, die Veranstaltung werde praktisch ungeschnitten zu sehen sein.

Marcel Reich-Ranicki im Interview

Kommentare

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
  2. Prima auch, was Elke Heidenreich dazu geschrieben hat: Reich-Ranickis gerechter Zorn : )

    AntwortenLöschen
  3. Du hast Recht, Thomas! Er hätte gar nicht kommen sollen und schon vorher den Preis ablehnen müssen. Am Ende hat er den Preis doch nach Hause mitgenommen.
    Am peinlichsten war dem Gottschalk das "Du" anzubieten. Es sah aus, ob er senil geworden ist. Schade, ich habe ihn immer sehr gemocht.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen