Bunbury oder Ernst sein ist wichtig


Algernon Moncrieff und Jack Worthing sind junge Männer, die ein unbeschwertes Upper-Class-Leben genießen. Algernon geht in teuren Londoner Etablissements ein und aus (am liebsten lässt er sich einladen) oder diniert bei seiner Tante Lady Bracknell und deren reizender Tochter Gwendolen. Jack residiert auf seinem Landsitz in Woolton, Hertfordshire, versieht das Amt eines Friedensrichters und kümmert sich liebevoll um sein Mündel Cecily. Doch wie schön ist es, dann und wann woanders ein Anderer zu sein. Dazu erfinden beide – unabhängig voneinander – einen kranken Freund und einen missratenen Bruder, die sie zu besuchen vorgeben, und genießen ihre Junggesellen-Freiheit. Mit der ist es jedoch vorbei, als Jacks erfundener Bruder leibhaftig auftaucht.

Oscar Wilde porträtiert mit seiner brillanten Komödie Bunbury eine hochästhetisierte Gesellschaft, in der die Menschen, stets in voller Maske, als Schauspieler ihres eigenen Lebens auftreten. Es geht um Menschen, die sich ihrer selbst durch permanentes Reden und geschliffene Bonmots vergewissern – und deren Lebensmaxime genau das Gegenteil von Authentizität und aufrichtigem Gefühl ist. Wilde schrieb sein Stück, das 1895 mit rauschendem Erfolg uraufgeführt wurde, aus seiner sehr persönlichen Not heraus: Sein Zeitalter, das er «vulgär» nannte, tolerierte seine Homosexualität nicht, und er war gezwungen, ein Doppelleben zu führen. Nur ein paar Monate nach der Premiere wurde er wegen Unzucht zu Zwangsarbeit verurteilt, das Stück wurde abgesetzt. 

Den jungen Regisseur Sarantos Zervoulakos, der 2011/12 am Jungen Schauspielhaus eine viel beachtete Medea inszenierte, reizt es zu überprüfen, ob man heutzutage noch eine Landpartie unter falschem Namen unternehmen muss, um ein Anderer zu sein.