Literaturnobelpreisträger Günther Grass bedauert, dass Marcel Reich-Ranicki in den Medien nach seiner Kritik beim Fernsehpreis als «rohes Ei» behandelt werde und ihm Kritik erspart bleibe.
Günter Grass: Reich-Ranicki kritisiert sich selbst
Der letzte Fachbesuchertag auf der Frankfurter Buchmesse war ein Tag der klaren Worte. Der deutsch-türkische Autor Feridun Zaimoglu schimpfte am Freitag über den Auftritt des Ehrengasts Türkei, Nobelpreisträger Günter Grass echauffierte sich über die TV-Tirade von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Musikproduzent Dieter Bohlen mokierte sich über den mangelnden Bildungswillen der Jugend. Nicht geschimpft hat der ehemalige SPD- Chef Kurt Beck - er sagte seinen Auftritt kurzfristig ab.
Der Freitag war aber auch der Tag der Preisträger. Der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer, der am Sonntag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommt, stellte sich den Fragen der internationalen Presse. Junge Zeichner erhielten den Deutschen Cartoonpreis, und am Abend wurden der Deutsche Jugendliteraturpreis und der Hessische Film- und Kinopreis vergeben. Grass, der auf der Messe seinen 81. Geburtstag feierte, ging mit Reich-Ranicki scharf ins Gericht. "Er kritisiert das, was auf ihn selber zutrifft." Reich-Ranicki habe einst in seiner ZDF-Sendung "Literarisches Quartett" die Literaturkritik
"trivialisiert". "Mit großem Geschrei" habe er dort eine "Ein-Mann-Show" inszeniert. Grass bedauerte, dass Reich-Ranicki in den Medien als "rohes Ei" behandelt werde. Schauspielerin Christiane Hörbiger widersprach ebenfalls Reich-Ranickis Kritik am deutschen Fernsehen und bezeichnete sich als "leidenschaftliche Fernseherin".
Auch Bankmanager bekamen von Grass ihr Fett weg. Bei der Bewältigung der Finanzkrise müssen sie seiner Ansicht "zur Kasse gebeten" werden. Die Rechnung dürfe nicht allein der Steuerzahler übernehmen. Bezahlt werde die Krise aber vor allem von den Menschen in der Dritten Welt.
Kein gutes Haar ließ Autor Zaimoglu am Auftritt der Türkei. "Ich sehe hinter der Präsentation, hinter der Oberfläche nichts", sagte er der dpa. Man habe versucht, "bloß nicht den Eindruck zu erwecken, dass man vielleicht orientalisch ist." Von den Festreden solle man sich nicht beeindrucken lassen, sagte der Autor und rief dazu auf, auf diesen "Völkerverständigungsquatsch" künftig zu verzichten. Auf die Frage, ob der Buchmessenauftritt zur Integration der Türken in Deutschland beitragen könne, sagte Zaimoglu, der Beitrag sei gleich "null".
Bohlen schimpfte unterdessen auf Rapper wie Bushido, die dazu aufriefen, "sich vollzukiffen, die Schule zu schmeißen" und sich danach auch noch mit ihrem Mangel an Bildung brüsteten. "Das ist sehr ärgerlich", sagte der selbsternannte "Poptitan". "Disziplin und Arbeit sind der Grundstock zum Erfolg." Die Finanzkrise zeige, dass sich über Nacht alle materiellen Dinge in Nichts auflösen könnten. "Gute Bildung kann einem keiner wegnehmen. Damit kann man ein neues Leben aufbauen, alle Optionen offenhalten", sagte Bohlen. "Wer Erfolg haben will, muss bereit sein, die Extrarunde zu laufen."
Friedenspreisträger Kiefer philosophierte über den Frieden als einen unsicheren Zustand, der nie von Dauer sein könne. "Frieden ist eine Utopie, etwas Unerreichbares", sagte der Künstler, der am Sonntag als erster bildender Künstler die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung des Deutschen Buchhandels erhält. "Frieden ist ein Kampf", der täglich im eigenen Kopf neu erschaffen werden müsse.
Die aktuellen Turbulenzen in der Finanzwirtschaft haben auf der Messe vor allem den Sachbuchautoren neue Chancen eröffnet. Die Krise sorgt für steigende Nachfrage nach allen Büchern zu diesem Thema. Gefragt sei alles, was direkt oder indirekt mit dem Debakel zu tun habe, heißt es bei Verlagen.
Die Besucherzahlen liegen weiterhin täglich über den Werten des Vorjahres. Am Donnerstag zählte die Messe 58.772 Besucher, 2,4 Prozent mehr als 2007. Am Wochenende ist die weltgrößte Bücherschau auch für Laien geöffnet. Die Tageskarte kostet 12 Euro. Das Gelände öffnet um 9 Uhr und schließt Samstag um 18.30 und Sonntag um 17.30 Uhr. (dpa)
Kommentare