Unglaubliche Dinge geschehen in Moskau: Berlioz, der Vorsitzende einer Literaturgesellschaft, und Besdomny, ein junger Lyriker, diskutieren an einem Frühlingsabend über die Nichtexistenz Christi. In ihr Gespräch mischt sich ein Fremder, ein Ausländer offenbar, der beiläufig erwähnt, dass er nicht nur mit Kant gefrühstückt habe, sondern auch beim zweiten Verhör Jesu durch Pontius Pilatus zugegen gewesen sei. Den beiden Literaten weissagt er eine düstere Zukunft: dem einen werde noch am selben Abend der Kopf vom Rumpf getrennt, der andere werde geisteskrank. Beide Prophezeiungen bewahrheiten sich auf ebenso grausame wie lapidare Art und Weise.
Der Teufel selbst ist es, der auf diese Weise den Auftakt zu phantastischen Ereignissen gibt und die heuchlerische und korrupte Gesellschaft Moskaus in ein Chaos aus Tod und Zerstörung, Hypnose und Spuk stürzt. Begleitet von verschiedenen Gehilfen – am auffälligsten ein riesiger Kater – blamiert und schädigt er alle bis auf zwei Gerechte: den Meister und Autor eines unveröffentlichten Romans über Pontius Pilatus und Margarita, seine ehemalige Geliebte.
Kommentare
Die Handlung des Romans spielt sich in drei unterschiedlichen Welten ab. Die erste ist die reale Welt der Moskauer Gegenwart. In zahlreichen temporeichen und aberwitzigen Episoden zeichnet Bulgakow ein satirisches Porträt der durch ideologische Gängelung verrohten und demoralisierten sowjetischen Gesellschaft; sein besonderes Augenmerk gilt den unbegabt-opportunistischen Vertretern des offiziösen Literaturbetriebs. Die zweite ist die überzeitliche Parallelwelt des Übersinnlichen und Jenseitigen. Dort tummeln sich Voland und sein Gefolge, Hexen, Vampire und die zum Leben erweckten Besucher des Satansballs – Giftmischer, Massenmörder und sonstige Großverbrecher. Die dritte schließlich ist die vergangene Welt des alten Jerusalem – der Handlungsort des vom Meister verfassten Passions-Romans über Pilatus und Jeschua han-Nasri, der als Roman im Roman eingeschoben ist. Alle drei Welten sind miteinander durch ein komplexes Netz gemeinsamer Motive, paralleler Figuren und Handlungsmomente verknüpft. So korrespondiert beispielsweise die Gestalt Jeschua han-Nasris mit der Gestalt des Meisters, die wiederum autobiografische Züge des realen Romanautors Bulgakow trägt.
Der philosophische Hintergrund dieses sehr komplexen Werkes ist bei ihrer Darbietung leider völlig verloren gegangen. Traurig, dass viele Besucher, die das Ursprungswerk nicht kennen, jetzt aufgrund ihrer gestrigen Erfahrung das Buch nicht mehr lesen werden.
Schade auch, dass selbst die kulturelle Einrichtung Theater nicht mehr in der Lage ist, niveauvolle Unterhaltung ohne nackte Menschen, Ordinärsprache und unartikuliertes Gebrüll zu bieten.
Wir fragen uns, warum jedes klassische Werk zwanghaft in eine moderene Inszenierung gepresst werden muss, wodurch die meisten Stücke nur an Wert verlieren.
Für Jeden, der sich eingehend mit Bulgakows Werk beschäftigt hat, muss ihre Inszenierung eine massive Enttäuschung sein.
Ferner haben wir in Theateraufführungen an Schulen schon bessere schauspielerische Leistungen erleben dürfen, als am gestrigen Abend.
Wir gehen eigentlich gern ins Theater, aber nach wiederholten Enttäuschungen und deren Krönung durch die gestrige Aufführung werden wir in Zukunft vom Düsseldorfer Schauspielhaus Abstand nehmen.
Berenike Neukirchen
Barbara Neukirchen