Doppelausstellung: Richters Abstraktionen
Köln/Leverkusen. Regie führte wohl der reine Zufall: Zeitgleich zur Eröffnung einer Doppelausstellung mit den bedeutenden Abstraktionen des Malers Gerhard Richter im Rheinland kreist in London der Hammer des Versteigerers.
Der fiebernde globale Kunstmarkt erwartet mögliche neue Richter-Rekordpreise deutlich jenseits der 10-Millionen-Dollar-Grenze. Doch es sind nicht die Summen in Dollar, Pfund oder Euro, die die Werke des 76-jährigen Wahlkölners, des begehrtesten deutschen Künstlers der Gegenwart, zu Monumenten der Malerei machen. "Wertvoller" ist der nur schwer zu fassende Gehalt des Richter-Oeuvres, das seit Jahrzehnten in vielen künstlerischen Kehren zwischen frühem Fotorealismus und einfarbig grauen Leinwänden denkend und malend um eine grundsätzliche Skepsis bei der Darstellung von "Realität" kreist.
Zwei ganz auf die wichtige Werkgruppe der Abstraktionen konzentrierte Ausstellungen in Köln und Leverkusen machen (ab kommendem Samstag) einmal mehr die Meisterschaft des 1932 in Dresden geborenen Maler-Philosophen deutlich. Das Museum Ludwig präsentiert gut drei Dutzend seit 1986 geschaffene Großformate (bis 1. Februar), die als Leihgaben aus Privatsammlungen und internationalen Museen teils erstmals in Deutschland ausgestellt sind. Im Leverkusener Museum Morsbroich überrascht Richter mit seinen überhaupt erstmals ausgestellten übermalten Fotografien.
Die Werke im kleinen Foto-Format von lediglich 10 mal 15 Zentimetern offenbaren einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Arbeitswelt des Malers. "Dies ist fast eine Lese-Ausstellung", charakterisiert Leverkusens Museumschef Markus Heinzelmann die intime Schau, in denen sich die beiden Bildwelten von Fotografie und Malerei reizvoll überschneiden. Die auf Urlaubsreisen oder auch im Familienkreis Richters entstandenden Fotos stehen im engen Zusammenhang mit den in Köln präsentierten großen Leinwänden des Künstlers. Richter nutzte meist die Farben der gerade entstehenden Großformate, um die konventionellen Foto-Bilder mit Spachtel oder Rakel zu eigenständigen Kunstwerken zu verwandeln.
Im Mittelpunkt der Kölner Präsentation steht der Dialog der beiden mehrteiligen Bilderzyklen "Bach" (1992) und "Cage" von 2006: In vielen Farbschichten oszillierende Leinwände, die dem Blick des Betrachters weder Halt noch "Inhalt" bieten, verwandeln den Saal unter klarem Neonlicht in eine wahre Kunst-Kathedrale. Er sehe seine Bilder "eben wie Musik", die jeder Hörer für sich selbst entschlüsseln müsse, sagte Richter der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Die in vielen Arbeitsgängen mit Spachtel und Rakel, mal mit warmem Rot oder eisig-klarem Grün, mit Grau oder Weiß bearbeiteten großen Formate locken den Blick des Betrachters in unendliche Räume, stoßen ihn aber auch wie ein Vorhang ab, fordern genaues Sehen, enthüllen und verhüllen gleichzeitig. Ob er ein "Romantiker" sei, der den Einzelnen in seine Freiheit setze und ihn dann zugleich ironisch mit dem Unerklärlichen alleinlasse? Diese Frage quittiert der Meister-Maler mit spitzbübischem Lächeln: Seine Bilder zu erklären - "das ist nicht mein Job". Er wolle "nur ein bisschen Vergnügen bereiten".
Bei zwölf ebenfalls mit Spachtel und Farb-Rakel geschaffenen Motiven mit dem Titel "Wald" (2005), aus US-Privatbesitz erstmals in Europa präsentiert, hält sich das Auge an senkrechte, schüttere Spachtelspuren vor dusterem Hintergrund aus horizontalen Farbstrukturen: Sind es wirklich Bäume? Jedenfalls spielt kahles Geäst auch eine große Rolle bei den übermalten Fotos, die - von Farbschlieren verhüllt - in den Leverkusener Räumen surrealen Reiz entwickeln oder aber unter grauem Schleier als Foto-Horizont eine verfremdete klassische Waldlandschaft markieren. "Wir können diese Bilder nicht berühren, aber sie berühren uns", bringt Kölns Ausstellungskurator Ulrich Wilmes die "Sprachlosigkeit" auf den Punkt.
"Schwan" (1989) heißen drei Dreimeter-Motive, deren Farbwischungen wie ein eigenwilliges Spektrum von Weiß über Korallrot bis Dunkelgrau changieren. Neben den gängigen Beschreibungen "Abstraktes Bild" wähle er bisweilen gern Titel, erklärt Richter: "Titel sind schöner, um Stimmung auszudrücken, das Bild so oder so zu sehen."
Angst, seine Fan-Gemeinde mit der konsequent auf die hermetisch verschlossenen Abstraktionen konzentrierten Ausstellung zu verprellen, diesmal auf seine populären "realistischen" Motive zu verzichten, hat der Künstler nicht. Richter: "Ich gehe ja auch nicht zu einem Fußballspiel, wenn ich nichts davon verstehe!"
Museum Ludwig
Museum Morsbroich
Köln/Leverkusen. Regie führte wohl der reine Zufall: Zeitgleich zur Eröffnung einer Doppelausstellung mit den bedeutenden Abstraktionen des Malers Gerhard Richter im Rheinland kreist in London der Hammer des Versteigerers.
Der fiebernde globale Kunstmarkt erwartet mögliche neue Richter-Rekordpreise deutlich jenseits der 10-Millionen-Dollar-Grenze. Doch es sind nicht die Summen in Dollar, Pfund oder Euro, die die Werke des 76-jährigen Wahlkölners, des begehrtesten deutschen Künstlers der Gegenwart, zu Monumenten der Malerei machen. "Wertvoller" ist der nur schwer zu fassende Gehalt des Richter-Oeuvres, das seit Jahrzehnten in vielen künstlerischen Kehren zwischen frühem Fotorealismus und einfarbig grauen Leinwänden denkend und malend um eine grundsätzliche Skepsis bei der Darstellung von "Realität" kreist.
Zwei ganz auf die wichtige Werkgruppe der Abstraktionen konzentrierte Ausstellungen in Köln und Leverkusen machen (ab kommendem Samstag) einmal mehr die Meisterschaft des 1932 in Dresden geborenen Maler-Philosophen deutlich. Das Museum Ludwig präsentiert gut drei Dutzend seit 1986 geschaffene Großformate (bis 1. Februar), die als Leihgaben aus Privatsammlungen und internationalen Museen teils erstmals in Deutschland ausgestellt sind. Im Leverkusener Museum Morsbroich überrascht Richter mit seinen überhaupt erstmals ausgestellten übermalten Fotografien.
Die Werke im kleinen Foto-Format von lediglich 10 mal 15 Zentimetern offenbaren einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Arbeitswelt des Malers. "Dies ist fast eine Lese-Ausstellung", charakterisiert Leverkusens Museumschef Markus Heinzelmann die intime Schau, in denen sich die beiden Bildwelten von Fotografie und Malerei reizvoll überschneiden. Die auf Urlaubsreisen oder auch im Familienkreis Richters entstandenden Fotos stehen im engen Zusammenhang mit den in Köln präsentierten großen Leinwänden des Künstlers. Richter nutzte meist die Farben der gerade entstehenden Großformate, um die konventionellen Foto-Bilder mit Spachtel oder Rakel zu eigenständigen Kunstwerken zu verwandeln.
Im Mittelpunkt der Kölner Präsentation steht der Dialog der beiden mehrteiligen Bilderzyklen "Bach" (1992) und "Cage" von 2006: In vielen Farbschichten oszillierende Leinwände, die dem Blick des Betrachters weder Halt noch "Inhalt" bieten, verwandeln den Saal unter klarem Neonlicht in eine wahre Kunst-Kathedrale. Er sehe seine Bilder "eben wie Musik", die jeder Hörer für sich selbst entschlüsseln müsse, sagte Richter der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Die in vielen Arbeitsgängen mit Spachtel und Rakel, mal mit warmem Rot oder eisig-klarem Grün, mit Grau oder Weiß bearbeiteten großen Formate locken den Blick des Betrachters in unendliche Räume, stoßen ihn aber auch wie ein Vorhang ab, fordern genaues Sehen, enthüllen und verhüllen gleichzeitig. Ob er ein "Romantiker" sei, der den Einzelnen in seine Freiheit setze und ihn dann zugleich ironisch mit dem Unerklärlichen alleinlasse? Diese Frage quittiert der Meister-Maler mit spitzbübischem Lächeln: Seine Bilder zu erklären - "das ist nicht mein Job". Er wolle "nur ein bisschen Vergnügen bereiten".
Bei zwölf ebenfalls mit Spachtel und Farb-Rakel geschaffenen Motiven mit dem Titel "Wald" (2005), aus US-Privatbesitz erstmals in Europa präsentiert, hält sich das Auge an senkrechte, schüttere Spachtelspuren vor dusterem Hintergrund aus horizontalen Farbstrukturen: Sind es wirklich Bäume? Jedenfalls spielt kahles Geäst auch eine große Rolle bei den übermalten Fotos, die - von Farbschlieren verhüllt - in den Leverkusener Räumen surrealen Reiz entwickeln oder aber unter grauem Schleier als Foto-Horizont eine verfremdete klassische Waldlandschaft markieren. "Wir können diese Bilder nicht berühren, aber sie berühren uns", bringt Kölns Ausstellungskurator Ulrich Wilmes die "Sprachlosigkeit" auf den Punkt.
"Schwan" (1989) heißen drei Dreimeter-Motive, deren Farbwischungen wie ein eigenwilliges Spektrum von Weiß über Korallrot bis Dunkelgrau changieren. Neben den gängigen Beschreibungen "Abstraktes Bild" wähle er bisweilen gern Titel, erklärt Richter: "Titel sind schöner, um Stimmung auszudrücken, das Bild so oder so zu sehen."
Angst, seine Fan-Gemeinde mit der konsequent auf die hermetisch verschlossenen Abstraktionen konzentrierten Ausstellung zu verprellen, diesmal auf seine populären "realistischen" Motive zu verzichten, hat der Künstler nicht. Richter: "Ich gehe ja auch nicht zu einem Fußballspiel, wenn ich nichts davon verstehe!"
Museum Ludwig
Museum Morsbroich
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