"Das Seltsamste an Aja aber war ihre Mutter. Sie war nicht so
wie die Mütter, die ich kannte, die in unserer kleinen Stadt, in den schmalen
Straßen rund um den großen Platz, im langen spitzen Schatten des Kirchturms
lebten, mit ihren bunten Autos und bunten Einkaufsnetzen, die jeden Morgen am
Zaun in ihre Briefkästen sahen, während Ajas Mutter die Post an der Tür
entgegennahm. Das Erste, was mir an ihr aufgefallen war, waren die lackierten
Fußnägel gewesen, weil sie auch die Haut bemalt hatte, als habe sie mit Lack
nicht sparen und einen violetten Streifen auf ihre Zehen setzen wollen. Sie war
größer als andere Frauen, sogar größer als die meisten Männer, und Aja schien
neben ihr zu verschwinden. Sie hatte lange, schmale Beine, von denen sie sagte,
wie Holzbeine sähen sie aus, und es stimmte, ein bisschen sahen sie aus wie die
Beine des Küchentischs, den sie im Sommer hinaus in den Garten trug, unter die
Zweige der Birnbäume, die ihr Geflecht aus Schatten auf die schmutzige
Tischplatte warfen. Hinter einem Maschendraht hielt sie Hühner, die ihr jemand
überlassen hatte, und Aja und ich durften jedes Mal eine Handvoll Mais ins Gras
streuen und die schmale Tür öffnen, bevor Ajas Mutter auf ihren flachen Schuhen
hinging und ein Huhn schnappte, seinen Hals umdrehte und dann später, wenn sie
es langsam rupfte, weiße und braune Federn ins kniehohe Gras segeln
ließ." (Seite 9) |